… dass es in Alzingen früher eine Ziegelfabrik gegeben hat?

  • aus: Buet 09 / 2012 / N°11 / Bild 1

    Das um 1772 erbaute Gebäude, in dem die ersten Ziegel hergestellt wurden, wurde später erweitert. Heute befinden sich 2 Häuser dort.

  • aus: Buet 09 / 2012 / N°11 / Bild 2

    Sicht auf den ehemaligen Gebäudekomplex (Mitte) in der Rue de Syren in Alzingen. In den dahinter liegenden Wiesen wurde der Lehm für die Ziegel gestochen und die hohen Brennöfen befanden sich nahe der Häuser. Mit freundlicher Genehmigung von Microsoft, Bing Maps 3D.

  • aus: Buet 09 / 2012 / N°11 / Bild 3

    Die wenigen noch existierenden Ziegelsteine aus Alzingen, die nicht verbaut sind. Archiv der „Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper“.

Während mehr als 120 Jahren existierte diese „Zillebäckerei“, die in Nebengebäuden eines 1772 von Pierre Conter und Catherine Reinert errichteten Hauses untergebracht war (heute Nr. 29 und 31 in der Rue de Syren). Kurze Zeit später gelangte sie in den Besitz der Familie Sauser, deren Nachkommen bis um 1893 dort Ziegel herstellten.

Am 12.03.1772 überließ Jacques Stiff, der Meier in Fentingen (eine Art Bürgermeister, Ortsvorsteher), seinem Neffen Peter Conter aus Alzingen einige Ackerstücke daselbst zur Errichtung einer Ziegelei. Dafür musste dieser ihm 7 Taler sowie weitere 4 Schillinge (Rente an die Herrschaft Mersch) zahlen und zwei Stiff zugehörige Häuser in Fentingen mit ihren Nebengebäuden decken. Es handelte sich also anfangs vornehmlich um Dachziegel, die dort hergestellt wurden, später kamen dann Bauziegel dazu. Zu ihrer Herstellung verwendete man hauptsächlich gelblich braun gefärbte harte Lehmsträhnen, die durch sandigen, eisenhaltigen Ton entstanden und in den „Wolfskielen“ in Alzingen hinreichend vorhanden waren. Nachdem man den Lehm mit einem breiten Spaten gestochen hatte, wurde er zu einer teilweise mit Wasser gefüllten Grube („Lehmkaul“) gebracht, angefeuchtet und mit dem Spaten auseinander geschlagen, um die Steinchen und Wurzeln zu entfernen. Anschließend wurde er unter großem Kraftaufwand in Holzformen gepresst. Nachdem die Ziegel wieder aus der Form entfernt worden waren, wurden sie einige Wochen (bis zu einem Monat) lang aufgeschichtet und getrocknet, ehe man sie in der „Bäckerei“ (mehrere hohe Öfen nahe der Häuser) brennen konnte.

1774 existierte die „Zillebäckerei“ in Alzingen bereits. Das dortige Pfarrhaus musste in jenem Jahr von Grund auf neu erbaut werden und die Arbeiten wurden für 180 trierische Reichstaler an den Baumeister und „Ziehlenbäcker“ Peter Conter aus Alzingen vergeben.

Der 1732 in Roeser geborene und nach Alzingen verheiratete Tagelöhner und Schreiner (Johann) Peter Conter hatte die Ziegelfabrikation wohl eher nebenher ausgeübt, aber bereits 1777 kam mit Joseph (Anton) Sauser ein gelernter Ziegelbäcker oder -brenner nach Alzingen. Dessen ursprünglich aus der Pfalz stammende Vater Theodor Sauser hatte bereits um 1744 die Erlaubnis erhalten, in Schoeneck (heute Département Moselle, Lothringen, Frankreich) eine Ziegelbäckerei zu betreiben. Das lothringisch-saarländische Gebiet war um diese Zeit reich an Hütten jeder Art, vor allem Ziegelhütten und Glashütten.

Joseph Sauser, um 1734 in Ottenhausen geboren, hatte 1765 in Saarbrücken Anna Maria Mathieu geheiratet und kam nach mehreren Zwischenstationen um 1772 in den französischen Grenzort Hagen (bis 1822 Teil der luxemburgischen Gemeinde Frisingen). Ab 1777 befand sich die Familie in der Gemeinde Hesperingen und 1779 wurde dann das letzte Kind der Familie Sauser-Mathieu in Alzingen geboren. Pate war der Schreiner Peter Conter, dessen Ziegelbäckerei die Familie Sauser um diese Zeit betrieb. Diese „tuilerie“ befand sich laut erstem Katasterplan (um 1824) in Sektion C (Alzingen) und trug die Parzellennummer 42.

Als die Eheleute Sauser-Mathieu beide im Jahre 1804 starben, hinterließen sie eine große Nachkommenschaft, welche sich in Alzingen und Umgegend etabliert hatte. Der Sohn Laurent Sauser, um 1771 in Forbach (Frankreich) geboren und seit 1799 mit der aus Alzingen stammenden Margaretha Kurth verheiratet (eine zweite Ehe mit Elisabeth Becker fand 1812 statt) übernahm die Ziegelfabrik und wurde im Kataster von 1824 als Besitzer eingetragen. Beiden Ehen entstammten insgesamt 19 Kinder, deren 7 bereits im Kindesalter verstarben.

Als Laurent Sauser im Jahre 1830 und seine zweite Ehefrau 1842 verstarben, lebten noch alle Nachkommen in Luxemburg. Da der Beruf des Ziegelherstellers aber nicht alle ernähren konnte, nahmen viele andere Berufe an oder emigrierten gar in die USA (8 der 12 überlebenden Kinder zogen dorthin).

Sein ältester Sohn Peter Sauser (1799 geb.), seit 1834 verheiratet mit Catharina Ries, übernahm mit seinem gleichnamigen Stiefbruder (1817 geb., 1866 wohl an der Cholera verst.) die Ziegelbäckerei, nebenan betrieb sein Neffe Nicolas Sauser-Pettinger für kurze Zeit eine Gastwirtschaft. Aus der Ehe Sauser-Ries gingen 14 Kinder hervor. Die Volkszählung von 1858 vermerkte 15 Personen in dem Haushalt, deren 4 offiziell dem Beruf des Ziegelbäckers nachgingen.

Spätestens 1876 übernahm der älteste Sohn Adam Sauser, 1835 in Alzingen geb. und seit 1864 mit der aus Sandweiler stammenden Anna Margaretha Mousel verheiratet, die Ziegelbäckerei. Die meisten ihrer 10 Kinder starben früh, andere wanderten in die USA aus. Im Jahr 1893 wurde die Ziegelbäckerei in Alzingen ein letztes Mal erwähnt, Adam Sauser übte anschließend nur noch den Beruf des Landwirts aus. Der Gebäudekomplex gelangte später in den Besitz der Familie Remakel-Prott, die Landwirtschaft und eine Zeit lang auch eine Gastwirtschaft dort betrieben. Die Gebäude blieben im Besitz der Familie, ehe um 1943 das Wohnhaus selbst von der Familie Schneider-Schmitz angesteigert wurde. Beide Häuser befinden sich auch heute noch im Besitz von Nachkommen der beiden Familien Remakel und Schneider.

Wenige Ziegelsteine sind bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. In den USA befindet sich ein dekorierter Stein mit dem Namenszug Adam Sauser bei Nachkommen der Familie, während die „Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper“ anderthalb Bauziegel gebrauchsüblicher Bauart in ihrem Archiv besitzen. Diese sind von rötlicher-brauner Farbe, fast 22 cm lang, 10,5 cm breit und ungefähr 4,5 cm hoch. An einer Längsseite der Ziegel sind noch die Umrisse der Verschalung (Brettchen von etwa 1,5 cm Breite) sichtbar. Die zweite Längsseite ist wesentlich rauer, ziemlich uneben und lässt das Glattstreichen der Lehmmasse mit einem geeigneten Gegenstand erahnen.

Über den Absatz und die Produktionszahlen gibt es nur Unterlagen aus dem Jahre 1826. Damals wurden 6 Personen beschäftigt und es konnten jährlich 100.000 Dach- und Bauziegel zu einem Wert von 1.050 Gulden hergestellt werden, die nur im Inland verkauft wurden. Bestimmt befinden sich noch heute in manchen Mauern in Alzingen und Umgebung Zeugnisse der ehemaligen „Zillebäckerei“.

 

Roland Schumacher
Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper