Aus dem Wort vom 21. Oktober 2014 |
Neuer Verein für Genealogie in der Gemeinde Hesperingen gegründet Die Wurzeln der Luxemburger luxroots.com ist mehr als nur Ahnenforschung und soll eine Basis für die Wissenschaft darstellen VON SAMMY STAUCH „Big Data“ – könnte man meinen. Doch das Projekt Luxroots, das elektronisch sämtliche Luxemburger Standesamtakten und Pfarrbücher von 1600 bis 1923 erfasst und zum größten Teil im Internet zur Verfügung steht, ist nicht auf dem Dachboden der NSA zu finden. Sondern im Hobbykeller eines pensionierten Sparkassenangestellten. Georges Eicher (65) aus Howald ist als Pensionär ein Paradebeispiel für den Wandel der Zeit. Weder ist er leidenschaftlicher Sammler noch Modelleisenbahner. Eher könnte man ihn als Softwareheimwerker beschreiben. Ein Foto auf einem mit Büchern überfüllten Schrank: 1980er Jahre, Eicher vor einem echten Brocken von Computer – er hat offensichtlich seit jeher Spaß an der Datenverarbeitung. „Es muss einen besseren Weg geben.“ „Mein jüngerer Bruder fing mit der Ahnenforschung an. Als ich sah, wie er mit seinen Karteikarten arbeitete, dachte ich: „Es muss einen besseren Weg geben.“ Wann war das? „1982. Ich wollte damals schon die Ahnenforschung von der Karteikarte auf den Computer bringen.“ 1985 kaufte sich Eicher einen solchen – drei Jahre lang besuchte er Abendkurse, um das Programmieren von Datenbanken zu erlernen. Und um eine Ahnenforschungssoftware zu entwickeln, die es bis dahin nicht gab. Zwar folgte eine zehnjährige Abstinenz von diesem Thema, aber die Jahre waren alles andere als fehlinvestiert. Denn die zwischenzeitlichen Technikfortschritte – Internet und Digitalfotografie –, davon ist Eicher überzeugt, haben das, was folgen sollte, überhaupt erst ermöglicht. So schrieb er kurzerhand seine alte Software für das Web um – nebenbei erfasste er erste Datensätze im Kanton Clerf. Noch immer war er von der Idee fasziniert, die Genalogie in das Computerzeitalter zu führen und Daten für Menschen bereitzustellen, die sich für ihre Vorfahren interessieren. Peu à peu gesellten sich erste Mitstreiter hinzu – im September 2004 dann der offizielle Startschuss: Aus einer privaten Website wurde luxroots.com. Das Ziel: die Digitalisierung und Verarbeitung von rund drei Millionen Akten. Inzwischen haben sich 50 Menschen zusammengeschlossen, die allesamt ehrenamtlich Tag für Tag in ihrer Freizeit Daten eingeben: Geburten, Hochzeiten, Sterbefälle, Berufe – und vieles mehr. Vor allem für neue Teammitglieder ist das Entziffern der alten Kurrentschrift eine Herausforderung. Zwar lese man sich, wie Eicher versichert, recht schnell ein, doch gehe die Arbeit noch leichter von der Hand, wenn sich Datenerfasser zunächst auf eine Gemeinde konzentrierten. So könnten sie die Handschriften der jeweiligen Schreiber und deren Schnörkel und Eigenheiten besser kennenlernen. Die Daten stammen sowohl aus im Internet frei zugänglichen Dokumenten – als auch aus rund 500 000 Aufnahmen von Akten, die Eicher in den letzten elf Jahren selbst angefertigt hat. Diese Masse an Fotos lässt jene Sackgasse erahnen, in die ein solches Projekt ohne Digitalfotografie zwangsläufig geführt hätte. Fast eine Million Akten erfasst Inzwischen sind fast eine Million Akten erfasst. Im Jahr 2025 soll das Projekt beendet sein – da die Daten aller Personen, die nach 1923 geboren wurden, nicht öffentlich zugänglich sind und die Aufzeichnungen in den Pfarreien erst Anfang des 17. Jahrhunderts beginnen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können über Luxroots zudem nur Daten bis 1914 eingesehen werden. Doch was ist der Erkenntnisgewinn nach jahrelangem Dechiffrieren teils ramponierter Mikrofilme? Was ist der Mehrwert zäher Recherchen, die erschwert werden durch eigensinnige Jahres- und Monatsnamen des französischen Revolutionskalenders, durch Irrtümer der Schreiber, durch lateinische, französische und deutsche Schreibweisen? Sicher – sekundenschnell können akkurate Stammbäume und umfassende Familienlisten generiert werden. Aber Eicher ist es ebenso wichtig, dass Luxroots eine Basis für die Wissenschaft legt. „Die Arbeit, die wir machen, bringt mehr als nur Ergebnisse der Genealogie“, erläutert er und zieht als Beispiel eine Statistik hervor: 30 000 Menschen, die zwischen 1870 und 1923 gestorben sind – aufgeschlüsselt nach ihrem Alter. Über 8 500 Kleinkinder erreichten das dritte Lebensjahr nicht. Das Balkendiagramm ist alles andere als abstrakt: Hinter jeder Zahl stehen reale Akten, reale Hochzeiten, Taufen, Trauerfeiern. All das ist ein Datenfundus für wissenschaftliche Fragestellungen: Sind Rückschlüsse auf die ärztliche Versorgung auf dem Land oder in den Städten möglich? Wie viele Familien sind über die Jahrhunderte sozial auf- oder abgestiegen? Fragen, die spätestens 2025 für Luxemburg auf Grundlage lückenloser Fakten beantwortet werden können. Auf luxroots.com Ahnenforschung betreiben Aber auch interessierte Privatleute können schon jetzt mithilfe von luxroots.com Ahnenforschung betreiben. Der Unkostenbeitrag, der nach einem dreitägigen Gratiszugang erhoben wird, kommt der Technik und einem Fonds zugute, der den Fortbestand des Projekts absichert. Gewerbsmäßige Erbenermittler hingegen sind Georges Eicher weniger willkommen: Sie sollen aus dem für die Allgemeinheit gedachten Projekt keinen Profit ziehen können. Wer mehr über Luxroots erfahren möchte, der sollte die Veranstaltung „Ahnenforschung in der Großregion“ am 9. November im Centre civique in Hesperingen besuchen (Rue Gaessel, 10 bis 17 Uhr).
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Luxemburger Wort vom Dienstag, 21. Oktober 2014, Seite 33 - mywort Beilage, Seite M3 - |